BOPPARD - Mittelalterliche Rheinromantik. Ein weltbekannter Blick. Boppard ist eine – altmodischer Ausdruck – Perle am Mittelrhein. Doch das Idyll ist durch die profane Moderne gefährdet: auslaufende Pachtverträge, ungeklärte Besitzerwechsel und allem voran: der Bahnlärm.
Die Startseite der Stadt im Internet ist mit reichlich Informationen gefüllt. Nur ein Thema findet sich erst über die Suchfunktion. Eines, das die Menschen vor Ort tagtäglich beschäftigt: der Bahnlärm. In der Stadt selber muss der Besucher den Lärm nicht suchen. Er ist in dem Talkessel präsent, kommt von beiden Seiten des Rheins.
300 000 Übernachtungen gab es im vergangenen Jahr
Boppard lebt von seinen Besuchern. Nach Zahlen der Stadt lebten im Jahr 2011 rund 1200 Menschen unmittelbar von den 300 000 Übernachtungen, die es im touristischen Sektor gab. Die Besucher will man als Verantwortlicher verständlicherweise nicht mit der Nase drauf stoßen, dass es am Rhein zwar nach wie vor schön ist – aber eben auch zu laut.
Lösungen sind in Arbeit – aber nicht in Sicht oder in Hörweite. Zwar soll bis 2020 der Lärm „halbiert“ werden. Doch erste Experten haben angemerkt, dass dieser Begriff eher Propaganda ist, statt ein sachlich nüchternes Wort für die Reduktion des Lärms um die Hälfte. Auch sind bereits die ersten Züge mit „Flüsterbremsen“ unterwegs – doch streiten sich die Experten über den Effekt. Eine richtige Lösung – in Form von Bahnstrecken, die das Tal umfahren – ist aktuell nur eine Utopie.
Der Rheinländer ist für seinen Geschäftssinn bekannt und daher weiß er: Geld wird nicht in der utopischen Zukunft, sondern in der harten Gegenwart verdient. In dieser tut die Kommune viel, um attraktiv zu bleiben. Die Hotels an der Rheinfront sind nobel und eine gute Visitenkarte für den Standort. Das ist für Städte am Mittelrhein nicht mehr selbstverständlich.
Die Region leidet unter einem Investitionsstau. Denn die Zukunft vieler Betriebe ist ungewiss. Das liegt nicht nur an den Härten des Marktes. Über die Hälfte der Hotels und Gaststätten steht nach Angaben des Berufsverbandes Dehoga altersbedingt vor einer Übergabe. In vielen Fällen ist kein Nachfolger ausgemacht. Der Landtag beschäftigt sich in einer Enquetekommission damit, was die Politik tun kann, um dieses Problem zu lösen.
Ein Wahrzeichen Boppards wackelte dieser Tage: die Sesselbahn. Die Betreiber der 1954 gebauten Bahn wehrten sich gegen eine massive Pachterhöhung, die ihren Aussagen nach den Erhalt unrentabel gemacht hätte. Zwei Wochen vor Weihnachten fand sich eine – vorläufige – Lösung.
Die Sesselbahn führt zum „Vierseenblick“. Der Name täuscht. Der Rhein wird an dieser Stelle durch zwei Hügel geteilt, was optisch den Eindruck von Seen ergibt. Bilder von dieser Rheinschleife haben es sogar bis an japanische Zimmerwände geschafft.
Zum Vierseenblick hin oder von diesem weg führen viele Wanderungen. Die zwischen Rhein und Mosel gelegene Ehrbachklamm ist dieser Tage vom Deutschen Wanderinstitut als eine der schönsten Deutschlands ausgezeichnet worden. Zudem führt der Rheinburgenweg durch die Stadt. Und mit der Fähre können Besucher auf die andere Seite des Flusses übersetzen, wo der Rheinsteig entlang läuft. Außerdem beginnt in Boppard der Saar-Hunsrück-Steig.
Im Umland von Boppard gibt es Angebote, bei denen Klettern und Rafting miteinander verbunden werden. Am Jakobsberg findet sich ein überregional bekannter Golfplatz. Passend zur mondänen Klientel steht in der Nähe ein Landeplatz für Hubschrauber bereit.
Für die, die indes auf ein herkömmliches Verkehrsmittel wie den Zug angewiesen sind, ist Boppard weniger attraktiv. Der Hauptbahnhof ist sanierungsbedürftig. Optisch. Aber auch funktional. Schon mehrfach ist es vorgekommen, dass Rollstuhlfahrer hier gestrandet sind, weil die Gleise zwei und drei für sie aus eigener Kraft nicht zu erreichen sind.
Die Stadt, die im Mittelalter Marktrecht hatte und Münzstätte war, ist zum Vorort von Koblenz degradiert worden. Bedeutung hat sie nur noch durch den Tourismus – und für den kämpfen die Verantwortlichen.
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