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Tourismus um 1950 in Hausham: Urlauber durften in die Ehebetten

Viele Urlauber reisen nach dem Zweitem Weltkrieg nicht an den Schliersee oder den Tegernsee - sondern nach Hausham. Heimatdichter Gustl Bauer erinnert sich an geräumte Ehebetten, Kohlewagen und Essensmarken.

Hausham – „Nun haben auch unsere Haushamer Vermieter ihre Ernte eingebracht und können wieder aus den Kellern und Holzschupfen in ihre Ehebetten zurückkehren.“ Mit diesen Worten zitiert Heimatdichter Gustl Bauer (82) den ehemaligen Haushamer Pfarrer Specht. Andere Zeiten, andere Sitten. Vor rund 70 Jahren – als nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs der Tourismus ins Rollen kam – profitierte im Landkreis vor allem eine Gemeinde.

Die Staumassen schieben sich bei gutem Wetter durch Hausham. Entweder geht’s weiter an den Schliersee oder die Urlauber biegen in Richtung Tegernsee ab. Was heute ein gewohntes Bild ist, war um 1950 herum ganz anders. Denn da war Hausham nicht der Weg, sondern das Ziel.

Bauer erinnert sich noch gut an das Kohlwagerl seiner Oma, einer Bergmannswitwe. Während die damit lediglich die Deputatkohle von der Kohlenabgabe des Bergwerkes nach Hause karrte – Sachleistungen für Bergmannsfamilien –, nutzten die Nachbarn den Wagen noch für ganz andere Dinge. „Die haben damit die Koffer der Urlauber vom Bahnhof oder dem Busparkplatz nach Hause gefahren“, sagt Bauer. Als Bergwerks-Rentner sei so ein Nebenverdienst als Vermieter nämlich eine feine Sache gewesen.

Mit dem Alpen-Ruhr-Express nach Hausham

Die meisten Häuser boten aber gerade genügend Platz für die Familien selbst. Also seien die Gastgeber umgezogen – in den Keller, den Schuppen oder wo sonst eben Platz war. „Die Touristen haben sehr billig gelebt in Hausham“, erinnert sich Bauer. Einen genauen Preis hat er nicht parat, ist aber sicher, dass es die Übernachtung plus Frühstück unter zwei Mark gegeben hat. Urlaub für einen Euro? Wunschdenken im 21. Jahrhundert.

Doch wer waren die vielen Touristen – Bauer schätzt etwa 30 000 Übernachtungen im Jahr –, die es nach Hausham zog? Sie kamen größtenteils aus dem Ruhrpott. „Sepp Schurer hatte mit seinem Omnibus-Unternehmen dort Werbung gemacht“, sagt Bauer. Schurer – 1945 war er von den Amerikanern als Bürgermeister eingesetzt worden – habe die Bergwerksarbeiter aus dem Ruhrpott nach Hausham gebracht. Auch das Reisebüro Brandstätter warb mit dem „Alpen-Ruhr-Expreß“. In einem Prospekt der damaligen Zeit pries das Busunternehmen die Heimatabende , Theateraufführungen und drei automatische Bundeskegelbahnen. Als Busse schließlich nicht mehr reichten, sollen sogar Sonderzüge organisiert worden sein.

Nicht alle Touristen von damals sind auch wieder zurück gegangen. „Bei den Heimatabenden haben die jungen Damen die Burschen aus Hausham kennengelernt“, erzählt Bauer. Der Heimatdichter erinnert sich auch an die Essensmarken, die damals kursierten, quasi eine Parallel-Währung. „Die Urlauber haben die nicht nur zum Essen genutzt, auch zum Haareschneiden oder sie haben sich einen Spazierstock gekauft.“

Lang gedauert hat der touristische Aufschwung in Hausham nicht. „Das hat sich verloren, als Italien als Reiseland entdeckt wurde“, sagt Bauer. Geschadet habe die Zeit dem Ort aber keineswegs. „Wir waren immer eine gute Gemeinschaft in Hausham.“

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