Search

Tourismus zwischen Wachstum und Nachhaltigkeit

(Dustin Weiss)

Jeder, der reist, macht das nicht ganz umweltfreundlich. Das ist eine Tatsache, die in der Reisebranche mittlerweile diskutiert wird – und die in diesem Jahr auch auf der Internationalen Tourismus-Börse (ITB) in Berlin Thema zahlreicher Veranstaltungen war. Slow Travel heißt das Schlagwort. Für die einen bedeutet das lediglich einen entspannten Urlaub: Die Reise auf die Malediven wollen sie genießen und nehmen sich nicht zu viele Ablenkungen mit Tauchkursus, Schiffsreise oder Stadttour vor. Für die anderen, die vermutlich noch zu den Freaks gehören, bedeutet Slow Travel im Wortsinn, langsam zu reisen. Statt den Flieger zu einer Hochzeitseinladung nach Irgendwo zu nehmen, sind die Slow Traveller mit der Bahn unterwegs und manchmal sogar mit dem Segelschiff. Für sie gilt, dass sie nicht nur reisen, um anzukommen. Sie haben sich die konfuzianische Weisheit vom Weg, der das Ziel ist, auf die Fahnen geschrieben.

Beim Slow Travel geht es um die Kunst des Reisens und darum, durch die Langsamkeit die Umgebung anders wahrzunehmen. Dazu muss der Urlauber nicht nach Afrika oder Australien fliegen. Ein Slow Traveller ist auch der Volkswirt und Umweltökonom Niko Paech, der an der Universität Siegen lehrt und der über Umweltgerechtigkeit und Nachhaltigkeit auf der ITB gesprochen hat. Paech denkt und lebt vor, wie eine Welt ohne ständigen Wachstum funktionieren könnte: Er hat kein Auto, fliegt nicht und isst vegetarisch. Für die einen ist der bekannteste Wachstumskritiker Deutschlands ein Spinner, für die anderen ein Idol. 

Paech ist radikal in seinen Ansichten – auch was das Reisen angeht. Er sagt, dass es in Europa so viele Orte und Regionen gebe, an denen Urlauber Natur erleben könnten, dass sie für ihre Reisen vermutlich mehrere Leben bräuchten. Er sagt sogar, dass man sich durchaus drei bis vier Urlaubsreisen in einem ganzen Leben leisten könne. Dazu müsse man aber strikt ökologisch leben – also kein Auto fahren, vegetarisch essen oder abgetragene Kleidung tragen. Dadurch ließe sich die Pro-Kopf-Emission von Kohlendioxid, die in Deutschland jährlich bei etwa neun bis zehn Tonnen liege, senken.

Paech will mit seiner Radikalität zudem auf Nebeneffekte aufmerksam machen: Tourismus zerstöre Kulturen in den Urlaubsländern, weil den Einheimischen die eigene Kultur nicht mehr genüge und sie einen westlichen Lebensstil annähmen, sagt er. Tourismus fördere dadurch auch die Migration, etwa von Afrika nach Europa. 

Der Umweltökonom macht die Tourismusbranche mit seinen radikalen Gedanken aber auch darauf aufmerksam, dass sie in einer Zwickmühle zwischen Wachstum und Nachhaltigkeit steckt. Mit Tourismus wird zuallererst Geld verdient, viel Geld. Laut dem Bundesverband der Deutschen Tourismuswirtschaft gaben Urlauber und Geschäftsreisende 2015 in Deutschland 287 Milliarden Euro aus. Die Branche ist zudem Arbeitgeber. Der Tourismus beschäftigt bundesweit 2,9 Millionen Menschen, jeder 15. Arbeitsplatz in Deutschland fällt in diesen Bereich. Hinzu kommen zahlreiche Unternehmen, die von der Reiselust leben, wie die Meyer-Werft in Papenburg.

Umweltfreundlichkeit und Nachhaltigkeit kommen über die Reisenden in der Branche an. Es gibt Lodges in Afrika, die Bäume anpflanzen, um die CO2-Bilanz ihrer Gäste zu verbessern. Tourismusexperten berichten, dass solche Projekte bei den Urlaubern gut ankommen – ob aus schlechtem Gewissen oder ökologischem Gedanken, sei dahin gestellt. Reisen diese Urlauber nun an einen anderen Ort, verlangen sie Nachhaltigkeit.

Auch auf Kreuzfahrtschiffen wird deshalb teilweise umgedacht. Die Reedereien stehen schon länger in der Kritik, weil bei den Buffets an Bord massenweise Lebensmittel in der Tonne landen. Die Kreuzfahrtgesellschaft Tui Cruises hat deshalb im vergangenen Jahr gemeinsam mit dem Verein „United against waste“ ein Pilotprojekt gegen Lebensmittelverschwendung gestartet. So wurden etwa kleinere Schalen genutzt, die öfter nachgefüllt wurden. Und auch das Personal wurde für das Thema sensibilisiert. Das Ergebnis: Es wurden 30 Prozent Abfälle eingespart. Das Projekt soll nun auf die ganze Flotte ausgeweitet werden.

Ein „Weiter so“ wäre für die Tourismusbranche bequem, denn sie ist in den vergangenen Jahren stetig gewachsen. Aber Nachhaltigkeit könnte genutzt werden, um ökologische Wachstumsfelder zu generieren und zum Aushängeschild zu werden. Und mit Nachhaltigkeit kann Geld gespart werden: Das zeigt das Projekt gegen Lebensmittelverschwendung.

Let's block ads!(Why?)

: http://ift.tt/2p2xm4C

Let's block ads! (Why?)



Bagikan Berita Ini

Related Posts :

0 Response to "Tourismus zwischen Wachstum und Nachhaltigkeit"

Post a Comment

Powered by Blogger.