Myanmar ist ein Vielvölkerstaat, mit mehr als 135 Ethnien und noch mehr unterschiedlichen Sprachen. In Deutschland wird momentan fast ausschließlich über die Vertreibungen der Rohingya im Westen des Landes berichtet. Derzeit ist das der bei weitem blutigste Konflikt in Myanmar. Aber neben den dortigen Rebellen gibt es im ganzen Land etwa 20 weitere Rebellenarmeen, meist an den Landesgrenzen. Einige haben einen Waffenstillstand unterschrieben, andere nicht. Und viele Regionen sind vermint. In Kayah merkt man von all dem nichts. Etwa anderthalb Stunden dauert die Fahrt von Loikaw durch eine beeindruckende Berglandschaft. Aus Straßen werden Wege. Die rumpligen Pfade, die dann kommen, leuchten im Rot der Erde hier.
Im Dorf begrüßt die Fremden Mg Tha, ein junger Mann um die zwanzig, der die Besucher herumführt. Er lebt hier und kennt jeden. Lange hätten die Organisatoren des Projekts sich mit den Dorfbewohnern beraten, sagt er. "Wollen wir Touristen? Wenn ja, was wollen wir zeigen? Und wer ist bereit dazu?"
Mg Tha erzählt auch über den Glauben der Bewohner. Einige seien Katholiken, manche Buddhisten, die meisten glaubten an Geister, die in den riesigen Bäumen am Dorfrand leben sollen. Vorbei geht es an den Totempfählen, an denen die Dorfgemeinschaft einmal im Jahr diese Geister zu beschwichtigen versuche. Mg Tha lacht, aber mit manchen dieser Geister, sagt er, sei nicht zu spaßen.
Natürlich wird er genauso für die Führung durchs Dorf bezahlt, wie die 30-jährige Kom U Long, die schon mit dem Essen wartet. Hühnchen mit Reis, begleitet von den Ausländern unbekannten Kräutern und Gemüsesorten, die Kom U Long im Urwald gesammelt hat. Sie trägt keine Ringe um den Hals. Ihre sechsjährige Tochter springt um uns herum. Was würde sie sagen, wenn ihre Tochter jetzt auch solche Ringe anziehen wollte? "Ich würde ihr erklären", sagt sie, "dass es sehr unangenehm und auch schmerzhaft ist. Wenn sie es aber trotzdem unbedingt wollte, dann würde ich die Ringe bestellen."
Junge Mädchen werden von den Eltern nicht zum Tragen des Halsschmucks gedrängt
Bevor früher die Mädchen mit fünf, sechs Jahren ihre ersten Ringe bekamen, wurde ihr Hals mit einer Salbe aus Honig, Hundefett und Kokosmilch eingerieben. Dabei sind es eigentlich keine Ringe, vielmehr ist es eine durchgehende Spirale, die erst über den Kopf gezogen und dann eng angepasst wird. Alle zwei Jahre wird die Spirale dann erweitert, bis zur Hochzeit. Im Erwachsenenalter hat die Halsspirale dann etwa 25 Windungen und wiegt etwa 15 Kilo. Auch wenn es den Anschein hat, dass dadurch der Hals gedehnt wird, sind es tatsächlich die Schulterblätter, die nach unten gedrückt und deformiert werden. Erst dadurch entsteht der Eindruck eines langen Halses.
"Ich glaube, dass die Tradition erhalten bleibt", sagt Pascal Khoo Thwe, "nicht nur, aber auch wegen des Tourismus." Jüngere Mädchen würden von den Eltern nicht gedrängt oder gezwungen. Im Dorf hier sind es vor allem ältere Frauen, die den Halsschmuck tragen.
Mg Tha bringt die Fremden zu Muc Ae. Die 58-Jährige sitzt auf der Veranda und trägt einen besonders windungsreichen Halsschmuck. Sie freut sich sichtlich über den Besuch. "Ich bin sehr stolz, dass ich euch unsere Tradition zeigen kann", sagt sie. Sie bekommt etwas Geld dafür. Ihr Mann ist schon lange tot, um sie herum wuseln Kinder und Enkel. In einer Ecke steht eine kleine Gitarre. Ob sie die spiele? Ja, ihr Enkel habe ihr die gebaut, sagt sie und greift sich das Instrument. Ein wunderbar lyrischer Gesang. Das Lied, erklärt Mg Tha später, habe sie selbst geschrieben. Es erzählt von ihrem Volk. Davon, dass viele fliehen mussten, aber ihre Wurzeln immer hier blieben.
Vermutlich würden Touristen es auch alleine bis in dieses Dorf schaffen. Man könnte sich in Loikaw ein Taxi nehmen. Aber dann hätte man den Frauen wohl nur von weitem zuwinken können, hätte ein paar Fotos gemacht, wie ein Großwildjäger. Dank des Projekts aber werden Türen geöffnet, man trifft Menschen, die von sich und ihrem Leben erzählen.
Hinweis
Anreise: Flug z. B. ab München nach Yangon mit Singapore Airlines, mit Zwischenstopp in Singapur ab 850 Euro; mit Myanmar Airways nach Loikaw ab 170 Euro.
Unterkunft: DZ in der Loikaw Lodge ab 75 Euro, www.loikawlodge.com Anbieter des Inclusive-Tourism-Projekts: z. B. Amazing Kayah, http://ift.tt/2AUojpq, oder Hauser Exkursionen im Rahmen der Reise Myanmar aktiv erleben, http://ift.tt/1Fmnotd
Allgemeine Informationen:www.myanmar.travel , International Trade Center der UN: http://www.intracen.org
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