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Wie viele Touristen erträgt eine Stadt?

Übers Wochenende nach Amsterdam, Barcelona oder Venedig düsen ist schon lange nicht mehr nur eine Frage des Geldes. Billigflüge, Low-Budget-Hotels, Airbnb und Co. machen es möglich. Doch das preiswerte Reisen spült nicht nur Geld in die Kassen der Städte, sondern bringt auch einige Nachteile mit sich. Die Besucher machen Lärm, weil sie Spaß haben und feiern wollen. Sie konkurrieren mit den Ansässigen um Platz in Parks, Museen und in der Gas­tronomie, sie hinterlassen jede Menge Müll. Außerdem treiben sie die Preise und Mieten in die Höhe. So ist es kein Wunder, dass immer mehr Städte zu Maßnahmen greifen, um den Urlauberstrom in geordnete Bahnen zu lenken.

Amsterdam zum Beispiel. Die Stadt wird jährlich von rund 18 Millionen Besuchern überrannt. Vor allem die etwa 800.000 Einwohner der Altstadt fühlen sich fast fremd in ihren Vierteln. Obwohl der Tourismus der niederländischen Metropole über die Wirtschaftskrise hinweggeholfen hat, ist nun ein Punkt erreicht, an dem die Bevölkerung die finanziellen Vorteile des Tourismus als geringer ansieht als die Nachteile.

In Barcelona finden immer wieder Bürgerproteste statt

Viele Besucher kommen in die Grachtenstadt, um zu feiern. Betrunkene Touristen ziehen grölend durch die Gassen oder machen mit Bierbikes die Gegend unsicher. Nun hat die Stadtverwaltung die Theken-Fahrräder verboten. Auch helfen eine höhere Bettensteuer und strenge Regeln bei der Vermietung von Wohnungen über Plattformen wie Airbnb, dem Massentourismus Einhalt zu gebieten. Hotelprojekte wurden vorerst auf Eis gelegt, in der Innenstadt dürfen keine Läden mit Souvenirs und Waren für Touristen eröffnen.

Noch rasanter als in Amsterdam schwollen in den vergangenen Jahren die Besucherzahlen in Barcelona an. 2012 besuchten 27 Millionen die Stadt, vier Jahre später waren es 34 Millionen. Die Folge sind immer wieder Bürgerproteste. Wegen der Besuchermassen setzte eine massive Immobilienspekulation und Gentrifizierung ein. Die gestiegenen Mieten in der Innenstadt können sich viele Einheimische nicht mehr leisten. Geschätzt wird, dass 40 Prozent der Airbnb-Wohnungen nicht legal sind. Barcelona versucht derzeit, die Besucherströme zu dezentralisieren.

Hotelzimmer werden besteuert, und seit 2015 gibt es keine Lizenzen mehr für Herbergen und den Bau neuer Unterkünfte. Flankiert werden diese Bestimmungen durch ein neues Konzept der Stadt für den Tourismus. Darin ist unter anderem vorgesehen, die Besuchermassen aus den überfüllten Vierteln in andere Stadtgebiete umzulenken. Sollte es neue Hotels geben, dann nur in weniger überlaufenen Zonen.

Mit rund einer Million Besuchern pro Jahr hält sich Dubrovniks Tourismus zwar vergleichsweise in Grenzen. Doch nicht allein die Zahl spielt eine Rolle, auch das Mengenverhältnis zwischen Gastgeber und Gast zählt. In der Altstadt von Dubrovnik mit seinen rund 1100 Einheimischen stimmt die Relation nicht mehr. Verschlimmert wird die Lage durch den Kreuzfahrttourismus. Allein 2016 haben 529 Kreuzfahrtschiffe 799.916 Passagiere in Dubrovnik ausgespuckt. In der Hochsaison wälzten sich an manchen Tagen über 10.000 Besucher durch die Altstadt.

Kreuzfahrtschiffe sind zwar wegen der Gebühren in Hafenstädten gern gesehen. Die Passagiere fallen in der Regel nur für wenige Stunden in die Stadt ein, aber sie konsumieren wenig. Die Unesco hat nun verlangt, die Zahl der Kreuzfahrtpassagiere auf maximal 8000 Personen pro Tag zu beschränken.

Auch Reykjavík kämpft mit dem Ungleichgewicht zwischen 1,7 Millionen Besuchern und 330.000 Einwohnern, von denen die Hälfte in der isländischen Hauptstadt lebt. Vor allem während des kurzen Sommers verwandelt sich die Stadt in eine Partymeile. Dank des Tourismus konnte der Inselstaat seine schwere Wirtschaftskrise überwinden, aber Preise und Mieten sind explodiert.

Seit dem Tourismusboom hat sich für die Isländer das Leben geändert. Entspannten sie beispielsweise quasi unter sich in der heißen Quelle mit dem vielsagenden Namen Blaue Lagune, so müssen sie diese nun mit den Touristen teilen. Als das Thermalbad 1994 eröffnete, zählte es jährlich 50.000 Besucher, mittlerweile sind es 1,3 Millionen. Derzeit sind Konzepte in Arbeit, wie die Reiseströme entzerrt und Reykjavík entlastet werden könnte. Denn viele Orte außerhalb der Kapitale hätten kein Problem, noch Gäste aufzunehmen.

Kreuzfahrtschiffe gefährden die Statik in der Lagunenstadt

Wenn die Rede von 50.000 Bewohnern und 30 Millionen Touristen ist, dann kann damit nur Venedig gemeint sein. Das Unesco-Welterbe steht unter Beobachtung, denn der Massentourismus ist dabei, dieses Erbe zu zerstören. Die tägliche Invasion der Besucher führt zu überhöhten Mietpreisen, der Zerstörung der historischen Gebäude, Vandalismus und Kleinkriminalität.

Auf Druck der Unesco versucht die Stadt, die Kehrseite des Tourismus in den Griff zu bekommen. So wird die Zahl der Besucher in spe genauer an den Eintrittspunkten der Stadt erfasst, um über die sozialen Medien zu informieren, wenn die Stadt überlaufen ist. Mit Marketingkampagnen sollen Touristen zudem aus dem Zentrum zu Ruheplätzen und Toiletten in anderen Vierteln geführt werden. Die Touristenpolizei ahndet illegale Privatvermietungen konsequenter, Gästeunterkünfte werden limitiert. Außerdem wird in einer Pilotphase ausprobiert, ob mit zwei unterschiedlichen Fahrtarifen, einem für Einwohner und einem höheren für Besucher, erreicht werden kann, dass Venezianer mit ihren Vaporettos ungestörter durch ihre Stadt kommen.

Selbst an die Kreuzfahrtindustrie traut man sich langsam heran. Die Megaschiffe gefährden die Statik vieler Bauwerke in der Lagunenstadt. Ein Bann an der Piazza San Marco ist nicht in Sicht – schließlich stehen bis zu 5000 Arbeitsplätze auf dem Spiel. Zumindest soll in drei bis vier Jahren der Kreuzfahrtterminal Marghera fertig sein.

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