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Weinbergsrundfahrten: Niersteiner und Oppenheimer wehren sich ...

Von Kirsten Strasser und Ulrich Gerecke

NIERSTEIN/OPPENHEIM - Dass Winzer, die Weinbergsrundfahrten veranstalten, ihre Gäste lieber am Bahnhof ein- und ausladen als im heimischen Weingut, kann Arno Lerch gut verstehen. Ansonsten, sagt der Niersteiner, müsste man sich ja um das Erbrochene seines eigenen Gastes, um Wildpinkler und betrunkene Jugendliche kümmern. „Und bevor man sich selbst mit den abgefüllten Teilnehmern rumärgern muss, dann setzt man diese doch lieber den Anwohnern an den Bahnhöfen in Nierstein und Oppenheim vor die Nase“, wettert Lerch. „Ein armer Kerl der Deutschen Bahn wird den Bahnsteig wieder reinigen, und die Anwohner werden sich schon um die 17-Jährige kümmern, die betrunken mitten auf dem Gehweg liegt.“

Brandbrief an das Ordnungsamt

Arno Lerch ist einer dieser Anwohner – und er will sich diese Vorfälle nicht mehr bieten lassen. Gemeinsam mit Rudi König, Jürgen Hörn, Dirk Stephan, Bianca Gourge und Anne Stauß hat er einen „Brandbrief“ verfasst, in dem die Nachbarn, die alle im Bereich des Niersteiner Bahnhofs wohnen, die Verwaltung auffordern, durchzugreifen und ausufernde Funzelfahrten „in Ballermann-Manier“ zu unterbinden.

Von März bis November, an sieben Tagen die Woche und mitunter bis weit nach 23 Uhr würden Teile der Niersteiner Bevölkerung „lärmdrangsaliert“, heißt es in dem Schreiben. Statt Nachtruhe: ungedämpfter Traktorenlärm, Discohits und lautes Gegröle. „Und das alles wird unter dem Deckmäntelchen des touristischen Fremdenverkehrs verkauft“, empören sich die Anwohner. Es sei nicht die Absicht, die Rundfahrten zu verbieten. „Sie gehören zu unserer rheinhessischen Heimat und viele Winzer bemühen sich auch um Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben, das erkennen wir an.“ Nicht zum schützenswerten Brauchtum gehörten aber „Glühwein- und Schulabschlussfahrten, Junggesellenabschiede, rauschende Partys und uneingeschränkter Alkoholkonsum“. Wer solche Fahrten betreibe, gehöre aus dem Verkehr gezogen. Doch da die Verbandsgemeinde bislang kein einziges Bußgeldverfahren eingeleitet und durchgezogen habe, „werden die Mäuse auch weiter auf der Nase der Behörden tanzen“.
Die unschönen Begleiterscheinungen könnten schon damit aufgefangen werden, wenn die Fahrten im jeweiligen Weingut starteten und endeten. „Damit wäre nämlich die Last auf das gesamte Gebiet der Stadt gleichmäßig verteilt; derzeit werden jedoch sämtliche Auswirkungen den Anwohnern am Bahnhof aufgebürdet“, erklären Arno Lerch und seine Mitstreiter. Sonderbar bleibe zudem die Auffassung der Winzer zum Toilettenproblem. „Warum sollte die Deutsche Bahn denn Toiletten für angetrunkene Teilnehmer von Weinbergsrundfahrten bereithalten, und warum sollte die Deutsche Bahn in der Folge das dort Urinierte und Erbrochene beseitigen?“, fragen sich Lerch und Co. „Das ist keine Verantwortung der Bahn. Es ist eine Verantwortung des Winzers, seinen Rundfahrtgästen die hofeigenen Toiletten im Weingut anzubieten.“

Anwohner von Fahrern bedroht

Auch in Oppenheim fühlen sich viele Anwohner von den Auswüchsen mittlerweile gestört. „Die sollen aus der Stadt verschwinden“, fordert Manfred Lorio, der in der Bahnhofstraße wohnt und das Treiben seit Längerem verfolgt. Bei mehr als der Hälfte aller Fahrten, so schätzt er, gebe es in irgendeiner Form Ärger. Weil er bereits mehrfach das Ordnungsamt eingeschaltet habe, ist er nach eigener Aussage sogar von Fahrern bedroht worden.

„Als ich vor sechs Jahren hierher gezogen bin, war noch alles ruhig, jetzt kann man kein Fenster mehr offen lassen“, klagt Lorio. „Es hat überhand genommen.“ Dabei gebe es seiner Meinung nach genug Möglichkeiten, den Fahrten im Stadtgebiet („Nur gegen die habe ich etwas“) Einhalt zu gebieten. Die Stadt könnte als Baulastträger bestimmte Straßen quasi sperren, das Ordnungsamt müsste die späten Fahrten durch Kontrollen unterbinden. „Außerdem steht in den Gesetzen nirgendwo, dass das Sonntagsfahrverbot für Weinbergsrundfahrten nicht gilt.“ Seine Hoffnungen setzt Lorio jetzt auch darauf, dass das Verkehrsministerium in Mainz den TÜV anweist, bei der technischen Kontrolle härter durchzugreifen. „Die haben die Veranstalter jahrelang gewähren lassen.“

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