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Mit der Jagd nach Rekorden im Tourismus aufhören

Sie touren derzeit durch Tirol. Wie ist die Stimmung in der Branche?

Mario Gerber: Im Grunde ganz gut. Trotzdem leiden wir unter den Rahmenbedingungen. Positiv ist, dass die angekündigte Rücknahme der Umsatzsteuer nun auf dem Weg ist. Die Anpassung der Abschreibungszeiträume sowie die Arbeitszeitflexibilisierung bleiben Dauerbrenner.

Wohin entwickelt sich der Tiroler Tourismus?

Gerber: Wir sind Hidden Champions, müssen aber unseren Fokus neu ausrichten: weg von der permanenten Jagd nach neuen Nächtigungsrekorden hin zu mehr Auslastung und einer Steigerung der Wertschöpfung.

Andreas Braun: Eines der größten Probleme ist der Fachkräftemangel. Das ist sicher auch in einer völlig verfehlten Bildungspolitik – 90 Prozent der Absolventen von Tourismusschulen wandern in andere Branchen ab – begründet. Die Wirtschaft bekommt kaum Lehrlinge, dafür haben wir ein „akademisches Prekariat“. Es sollte für zeitgeistige junge Tiroler wieder „cool“ sein, im Tourismus zu arbeiten. Kurzum: Ich wünsche mir den Tourismus als gesellschaftspolitischen Themenführer.

Liegt das nicht auch an den Bedingungen, die ein Arbeitsplatz im Tourismus mit sich bringt?

Gerber: Den Koch, der für 1200 Euro 60 Stunden in der Woche arbeitet, gibt es schon lange nicht mehr. Wir haben inzwischen moderne Arbeitszeitmodelle, die auf die Bedürfnisse unserer Mitarbeiter abgestimmt sind. Es gibt moderne Mitarbeiterunterkünfte und viele weitere Benefits wie Gratis-Skikarte, etc.

Das Tourismus-Image ist auch abseits der Frage nach Arbeitsbedingungen ganz schlecht, siehe Olympiabefragung ...

Gerber: Deswegen ist es mir ein wichtiges Anliegen, die Tourismusgesinnung in Tirol wieder zu stärken. Wir waren in der Vergangenheit zu sehr auf den Gast fixiert und haben verabsäumt, die Einheimischen auf unserem Weg mitzunehmen. Es braucht mehr Kommunikation nach innen.

Auch touristische Regionen leiden unter Abwanderung, und Abseits der Tourismus-Saison unter Arbeitslosigkeit. Wie können diese Regionen gestärkt werden?

Braun: Eine Lösung liegt darin, dass wir Wirtschaft, Wissenschaft und Tourismus enger verzahnen müssen. Wenn wir dann noch verstehen, dass intelligente Landwirtschaft eine Riesenchance für den Tourismus ist, dann haben wir viel erreicht. Aber dafür braucht es eine schonungslose Diskussion und klar definierte Ziele.

Derzeit scheint die Branche ihr Heil eher in Investorenmodellen zu suchen.

Gerber: Davor warne ich, das ist eine touristische Sackgasse. Wir brauchen mehr Klasse statt Masse. Die Zukunft des Tiroler Tourismus liegt im Ausbau des Qualitätsangebots.

Braun: Das Vordringliche ist ein drastischer Bürokratie-Abbau. Steuerakzeptanz gibt es, wenn Steuern verständlich, schonend und einfach sind. Das Einkommenssteuergesetz wurde seit 2000 450-mal geändert, was zu einer schikanösen Situation geführt hat. Realistisch geträumt, sollten die findigsten Köpfe des Landes für 2025 eine App konzipieren, die das Steuersystem wiederum verständlich, schonend und einfach umgestaltet.

Gerber: Außerdem haben wir immer noch einen rechtsfreien Raum für Airbnb und Co. Diese Ungleichbehandlung muss ein Ende haben.

Das Interview führte Hugo Müllner

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