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MV könnte mehr an seinen vielen Touristen verdienen

In Mecklenburg-Vorpommern verdient das Gastgewerbe Berechnungen zufolge pro Gast im bundesweiten Vergleich offenbar wenig Geld. Mit 37,29 Euro je Gästeübernachtung werde im Nordosten die geringste Bruttowertschöpfung im Gastgewerbe erzielt.

Ursachen dafür seien unter anderem die niedrige Entlohnung, Qualitätsdefizite und die Struktur der Übernachtungen, sagte der Greifswalder Wirtschaftsgeograf Helmut Klüter. In MV übernachteten im Vergleich zu anderen Bundesländern überdurchschnittlich viele Menschen auf Campingplätzen sowie in Ferienhäusern und –wohnungen. Campingplatz-Touristen seien weit weniger wertschöpfungsintensiv als Hotelgäste, die einen großen Teil weiterer Dienstleistungen im Hotel kauften.

Klüter legt für seine Berechnung die für alle Länder statistisch erhobene Bruttowertschöpfung im Gastgewerbe zugrunde und setzt sie mit den Gästeübernachtungen in Beziehung. Sie betrug 2015 für MV etwa rund 1,22 Milliarden Euro. Als Basis für den Vergleich setzt der Forscher die Daten der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen der Länder (VGRdL) aus 2013 an. Demnach betrug der deutsche Durchschnitt der Wertschöpfung pro Gästeübernachtung 90,43 Euro. Am meisten verdiente das Gastgewerbe in Bremen mit 152 Euro pro Gästeübernachtung. Grund seien der überdurchschnittlich hohen Hotelanteil und der zahlreichen Restaurants, die in großen Städten auch von vielen Einheimischen besucht werden.

Ministerium: 4,1 Milliarden Euro Wertschöpfung pro Jahr

Dem Wirtschaftsministerium liegen keine Zahlen vor, die die Wertschöpfung pro Gästeübernachtung beziffern. Ein Vergleich zu anderen Bundesländern sei aufgrund der unterschiedlichen angewandten Methoden nicht sinnvoll durchführbar, sagte ein Sprecher. Laut Ministerium beträgt die touristische Wertschöpfung, die auch Querschnittseinnahmen durch Touristen im Handel oder Verkehr einschließen, mit 4,1 Milliarden Euro rund 12 Prozent der gesamten Bruttowertschöpfung in MV.

Allein 3,3 Milliarden Euro würden durch Beherbergung, Besuche von Restaurants und Freizeiteinrichtungen eingenommen, 760 Millionen Euro durch tourismusnahe Unternehmen wie beispielsweise Wäschereien. Eine Studie des Ministeriums zum Ferienwohnungsmarkt aus 2013 setzt die Tagesausgaben pro Gast bei 68 Euro an. Dennoch sieht auch das Ministerium Handlungsbedarf. Künftig müsse qualitatives vor quantitativem Wachstum gehen und mehr Wertschöpfung pro Gast erreicht werden, hieß es aus dem Ministerium.

An Binzer Promenade nur drei einheimische Hoteliers

Als Problem für Mecklenburg-Vorpommern sieht Klüter, dass Gewinne häufig in andere Regionen abflössen, weil die Betreiber von Hotels und Ferienanlagen dort steuerlich veranlagt seien. „In Binz gibt es beispielsweise nur noch drei einheimische Hoteliers in der ersten Reihe an der Promenade.” Alle anderen Häuser seien in westdeutscher, ausländischer oder Berliner Hand. Durch das Prinzip „Rückgabe vor Entschädigung” seien viele Hotels und Restaurants in den Ortskernen der Seebäder an Westdeutsche gefallen.

Einen weiteren Grund für die vergleichsweise niedrige Wertschöpfung sieht der Wirtschaftsgeograf darin, dass es in MV kaum Unternehmen gebe, die Restaurant- und Hotelausstattungen produzierten. So müssten diese Vorleistungen in anderen Bundesländern eingekauft werden. Hinzu komme der schwache Ausländertourismus.

Dennoch habe der Tourismus in MV eine wichtige „Schaufensterfunktion” für die übrige Wirtschaft, sagte Klüter. Seit 2013 sei Mecklenburg-Vorpommern nicht zuletzt wegen seiner hohen Wohn- und Freizeitattraktivität für die deutsche Bevölkerung ein Zuwanderungsland. „Viele Gäste erkennen den hohen Wohnwert des Landes und verlegen ihren Wohnsitz nach Mecklenburg-Vorpommern.”

Das Zuwanderungswachstum, so Klüter weiter, habe inzwischen mehr als die Hälfte der Gemeinden erfasst. Damit werde die jahrzehntelang auf Schrumpfung und Infrastrukturrückbau fixierte Landesplanung vor erhebliche Herausforderungen gestellt.

Allein zu Weihnachten und Silvester rechnet die Branche in MV mit einer Millionen Übernachtungen.

Karniner Brücke nach Usedom fehlt

Größten Handlungsbedarf gibt es in der Hochburg des Tourismus, in Vorpommern. Dort – vor allem auf Rügen, Usedom und Fischland-Darß-Zingst – würden zwar rund zwei Drittel der Gästeübernachtungen generiert. Die Straßen- und Schieneninfrastruktur könne bei dieser Entwicklung jedoch nicht mithalten. Als Beispiele nannte er die fehlende Bahnverbindung nach Usedom über die Karniner Brücke, eine fehlende Bahnverbindung nach Fischland-Darß-Zingst und das Fehlen von leistungsfähigen Zubringern von der A20 nach Usedom und zum Darß.

Die Kenngröße „touristische Wertschöpfung”, die das Land mit 4,1 Milliarden Euro beziffert, bezeichnete Klüter als „ziemlich subjektiv zusammengesetzten Eintopf”, weil sie viel Interpretationsraum zulasse. Aber selbst diese Zahlen zeigten die Probleme: Wenn die touristische Wertschöpfung 12 Prozent der Gesamtwertschöpfung betrage und von 17,8 Prozent der Erwerbstätigen erzeugt werde, heiße das, dass die Beschäftigten im Tourismus ziemlich schlecht bezahlt werden.

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